Traum vom 2. Mai 2014

10. Oktober 2015

Ich beobachtete ein Rennen. Auf einem etwas entfernten Parkplatz entlang eines Schotterweges lag ein kleines Häuschen – einem Wohnwagen gleich. Zwei Mädchen wollten dieses Ziel jeweils als erste erreichen und nahmen verschiedene Routen. Auf einmal hielt neben der einen ein Linienbus. Die Busfahrerin sagte »Sonst mach‘ ich sowas nicht – vom Fahrplan abweichen«, ließ sie einsteigen und fuhr weiter. Als aber der Bus mit dem Mädchen am Haus ankam war die andere spurlos verschwunden.

Meine Altersvorsorge..

1. Oktober 2015

Meine Altersvorsorge besteht nicht aus Geld, sondern aus Büchern. Da ich es nicht schaffe so viel zu lesen, wie ich gerne würde, kaufe ich mir Bücher auf Vorrat – was ich eben irgendwann mal lesen möchte. Mit der Zeit ändern sich aber auch meine Interessen, sodass die Liste immer länger und das Regal immer voller wird. Mittlerweile bin ich schon bei einigen Jahren, die ich literarisch verplant habe. Ich frage mich, wann ich bis an mein Lebensende versorgt sein werde. Wann kommt dieser Punkt? Wird er sich bemerkbar machen? Und vor allem: Wer stößt dann mit mir an?

Mondnacht

24. April 2015

Es war fast Mitternacht – wie stumm standen die Gestalten da, die sich täglich (besser: nächtlich), wie es scheint, immer tiefer in die Nächte schieben, und blickten uns Vorbeilaufenden bedächtig nach. Ich bemerkte, wie du mich, von der Dunkelheit gänzlich zerfressen und fast schon von der Erde verschlungen und mir nur noch deine wilden Träume offenbarend, ansahst, als hättest du plötzlich die Geste gefunden, mit der du mich von den Klippen fernhalten könntest. Ich lächelte, ich nickte – blickte dem schwarzen Sonnenuntergang entgegen – zitternd vor großer Trauer.
In dieser Nacht nahm ich mir dann die Zeit und schlief eine Ewigkeit.

Es allen recht machen…

28. Februar 2015

Als der Junge sich mit letzter Kraft in sein Zimmer schleppte, wirkte eine Unendlichkeit nach der anderen auf ihn ein. Er wusste nicht, welches ausbleibende Ende er zuerst akzeptieren sollte. Am liebsten keines. »Jeder hat irgendein Talent«, hörte er immer sagen »und jeder findet den Beruf, der zu ihm passt«. Ein Talent besaß er allerdings: Etwas auszudrücken, was niemand verstand, etwas zu formulieren, dem niemand widersprach. Es allen recht machen – das konnte er. Oft bestand es darin, die Schuld für alles auf sich selbst zu nehmen, nur um des Friedens willen.

Zwei Blinde

17. Februar 2015

„Wie kann die Zeit auf jemanden warten?“, fragte sie mich.
Ich war ihr eine Antwort schuldig, bin es immer noch, doch denke ich, sie kennt die Antwort mittlerweile.
Was ich damals erwidert habe, weiß ich nicht mehr, suchte ich doch ständig nach Ausflüchten. Ihr schien das gerade recht. Andersrum muss es genauso gewesen sein. Wir waren zwei Blinde, die sich gegenseitig die Schönheit der Welt beschrieben, und genauso wollten wir das damals.

Da ist rein gar nichts…

10. Februar 2015

»Da ist rein gar nichts.«
»Aber irgendetwas muss doch gesagt werden..«, antwortest du.
Wir blicken durch die leicht beschlagene Fensterscheibe unseres Waggons hinaus. Du, deine Handschuhe, ausgezogen, in den Händen auf deinen Schoß gelegt, haltend, und ich mit verschränkten Armen und melancholischem Blick dasitzend. Mit »rein gar nichts«, meinte ich: »da ist sehr viel«.
Der Schnee, der nur noch vereinzelt in der Welt lag, hielt sich jedoch auf dem Gleisbett, als wäre es die einzige Ruhestätte, sterbend fest.
Ich sank im Blicke und in meinen Erinnerungen stets zu diesem Bild hinab.
Wir schwiegen.

Blaue Phantasie

6. Februar 2015

Welkend frage ich mich, was noch stummer werden könnte, als die Enden dieser Schwärze. Kurz bevor das Licht die feuchte Finsternis durchbricht, steht diese ihrem Höhepunkt so greifbar nahe. Du sagtest früher, Helligkeit sei dann am hellsten, wenn man aus dem Dunkel kommt. Und ich sagte dir dann, dass du dich auch mit weniger zufrieden geben könntest.

Aber das war gar nicht meine Frage – meine Frage war, welches Ding die Enden dieser Schwärze in ihrem Schweigen übertönt. Und wieder sagst du: »blaue Phantasie«, und ahnst nicht, dass du mich mit diesen Worten in die Wüste schickst.

Es ist auch ziemlich anmaßend von dir, dass du die Frage als »an dich gerichtet« verstehst, wo ich sie doch in leeren Raum sprach. Du musst wissen, dass ich die meisten Fragen gar nicht stelle, sondern sie nur formuliere. Das ist der Grund, weshalb ich nie die Antwort hören will.

Verstehst du das?

Über mein Schreiben

31. August 2013

Dass mein Schreiben in letzter Zeit so gehemmt wurde, mag an der Tatsache liegen, dass ich das Nachdenken und das Besinnen fast verlernt habe. Seit einigen Tagen gilt mein Bemühen, mir dieses wieder anzueignen. Mehr Lesen, mehr Pause machen, mehr im Park, im Wald spazieren gehen, einfach dasitzen und nichts tun.

..Novalis ist immer noch ständig bei mir. Er hat mich nicht verlassen, wie alle anderen. Und er erinnert mich:

»Die Lyrik ist das Poetische schlechthin. Sie rangiert im unendlichen Abstand von der übrigen Literatur. Sie ist die feinste und reizvollste Blüte der Dichtung. Sie ist Magie. Jedes Wort ist Beschwörung. Der Dichter ist ein Zauberer. Seine Sprache will keine Mitteilung. Oft ist sie so dunkel, daß sie der Dichtende selbst nicht versteht. Seine Bilder sind Chiffre. Richtigkeit, Deutlichkeit, Vollständigkeit, Reinheit, Ordnung sind nicht das Ziel der Lyrik. Sie ist oft bloß wohlklingend, dabei ohne allen Sinn und Zusammenhang. Höchstens einzelne Strophen sind verständlich. Sonst sind es oft nur Bruchstücke, aus den verschiedensten Elementen zusammengesetzt. Ich möchte fast sagen, das Chaos muß in jeder Dichtung durchschimmern.«

Im März habe ich mir ein große Ordnung geschaffen, ganz nach dem Motto: „Mit der Verheiratung ändert sich das System. Der Verheiratete verlangt Ordnung, Sicherheit, und Ruhe – er wünscht, als Familie, in einer Familie zu leben – in einem regelmäßigen Hauswesen – er sucht eine ächte Monarchie.“

Diese innerliche Ordnung, werde ich beibehalten, da Sie doch umso mehr Platz für die Freiheit bietet, nach der ich verlange. Wo Ordnung ist, da ist die schlechthinnige Freiheit. Dessen bin ich mir jetzt bewusst.

Und während ich es auf Papier zu bringen versuche, höre ich ihn..

»Gib treulich mir die Hände,
sei Bruder mir und wende
den Blick vor deinem Ende
nicht wieder weg von mir.

Ein Tempel, wo wir knien,
ein Ort, wohin wir ziehn,
ein Glück, für das wir glühn,
ein Himmel mir und dir!«

Dafür ist noch Platz

11. Oktober 2012

Manchmal – ich muss es ehrlich zugeben – glaube ich gar nicht mehr an die Geister, die uns umgeben. Manchmal spür’ ich weder diese, noch mich selbst in dieser Welt. Und dann sitz’ ich im Freien, oder Zuhause, oder in der S-Bahn und spür’ sie einfach nicht, wie sie mich umgeben.

Vor mir: ein großes, offenes Feld, schneebedeckt – einfach Platz für große, leere Gedanken. Dahin schütte ich sie also aus – meine Gedanken. Und immer noch spür’ ich die Geister nicht, die doch auch mich umgeben sollten – eigentlich. Und ich sitze da und starre ins Leere und hab keine Ahnung, ob sie da sind, oder nicht. Vielleicht bedeutet das Geistsein einfach: Raum bieten. Dann kann ich sie fühlen, wenn es das heißt. Wenn nicht, warte ich noch ein paar Stunden. Dafür ist ja Platz auf dem Feld: für noch ein paar Stunden Nachdenken… dafür ist ja noch etwas Platz in der Welt.

Wenn ich etwas klar durchdenken will, dann springt meine Fantasie mir narrend vor die Bahn in die ich meinen Gedankenzug gelenkt haben wollte. Albern, oder wirr, doch am meisten schier beängstigend verlässt mich dann der Mut im Denken fortzufahren. Doch oft schweb ich auch von seliger Umschwemmung zarten Zaubers in das genüssliche Gefühl des »Nicht-Gedanken« ab und träume ohne Sinn und Ziel – und fühl mich der Welt so zauberhaft entrückt.

(Oder wie gerade jetzt: mir schweben tausende Gedanken und Worte im Sinn, die ich so gerne niederschreiben würde, doch vermag ich es nicht.)